Altersvorsorge am Scheideweg: Prosperität oder Abbau?

SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard (VPOD-Magazin, Dezember 2020)

Wenn wir jetzt nicht handeln, werden die Renten bald nicht mehr ausreichen für ein anständiges Leben im Alter. Die Gewerkschaften warnen schon lange vor dem Zerfall der Pensionskassen-Renten. Inzwischen sagen es selbst die Banken und Versicherungen. Allerdings: Was sie als Lösungsvorschläge präsentieren, ist vor allem für sie selber lukrativ und nur für eine Minderheit von Besserverdienenden attraktiv. Für mittlere Einkommen oder gar für teilzeitarbeitende Mütter und Väter sind ihre Konzepte unbezahlbar. Die Mehrheit der Arbeitnehmenden wird mit den sinkenden Pensionskassenrenten und der nicht existenzsichernden AHV nicht mehr genügend Rente haben. Und damit drohen wir wieder in die Zeiten zurückzufallen, in denen Altersarmut der Normalfall war.

Die verheerende Abbaulogik in der Altersvorsorge wird vom Parlament mit der «AHV 21» weiter akzentuiert. Trotz miserablen Frauenrenten sollen ausgerechnet die Frauen eine Rentensenkung in Kauf nehmen. Diesen Affront werden wir bekämpfen und uns für eine bessere Absicherung für die Frauen engagieren.

Die historische Krise der zweiten Säule führt zu einem flächendeckenden Kaufkraftverlust. Wir zahlen immer höhere Beiträge für immer tiefere Renten. Und diese Entwicklung wird weitergehen. Die technokratischen Automatismen in den Pensionskassen senken den technischen Zins Jahr für Jahr. Mit dramatischen Folgen für die Rentenhöhe. Sind die Renditen auf den Altersguthaben der Arbeit-nehmenden geringer als das Lohnwachstum, so lohnt es sich, die Renten aus den Lohnbeiträgen direkt zu zahlen – im Umlageverfahren wie bei der AHV. Das Zinsniveau ist historisch tief und über Jahrzehnte mit Negativzinsen belastet. Die Zinsen für sichere Bundesobligationen sind negativ. Ohne nennenswertes Risiko ist auf den Kapitalmärkten nicht mehr viel zu holen. Pensionskassenexperten prognostizieren, dass das düstere Bild über viele Jahre hinweg anhält. In dieser Situation ist das Umlageverfahren überlegen. Wer das ignoriert, fährt unsere Altersvorsorge gegen die Wand.

In Krisenzeiten eine Deflationslogik zu verfolgen, ist nicht nur für die Betroffenen verheerend, sondern volkswirtschaftlich verantwortungslos. Während die Reserven der Nationalbank SNB übervoll sind, werden Frauen mit tiefen Renten noch mehr unter Druck gesetzt. Hier müssen wir ansetzen: Die Schweizerische Nationalbank muss einen Teil ihrer Gewinne in die AHV ausschütten. Erinnern wir uns, dass die SNB eine Bilanz von 850 Milliarden Franken sowie 84 Milliarden Reserven für zukünftige Gewinnausschüttungen hat. Dieses Geld ist verfassungsrechtlich den Kantonen und dem Bund geschuldet. Und es reicht aus, um die AHV zu unterstützen, anstatt mitten in der Krise eine Schwächung der Renten zu planen. Dies ist eine vernünftige und pragmatische Option. Die Abbaulogik sinkender Einkommen führt in eine düstere Rezession.

Wir brauchen keinen Abbau, sondern Prosperität und eine Perspektive für alle. Auf das Problem der Rentenhöhe haben wir verschiedene Antworten. Die beste ist der Ausbau der AHV. Mit der AHV gibt es für die meisten Leute im Land am meisten Rente für ihr Geld. Weil die Arbeitgeber und der Bund mitbezahlen. Weil die Topverdienenden die Renten der Normalverdienenden mit-finanzieren. Und weil es auch für Erziehungs- und Betreuungsarbeit Rente gibt. Das ist für die Rentensituation der Frauen entscheidend. Für unsere Volksinitiative für eine 13. AHV-Rente haben wir trotz Corona-Einschränkungen und Unterbruch bis heute rund 60 000 Unterschriften gesammelt. Mit diesem konkreten Fortschritt können wir das Rentenproblem für einen grossen Teil der Bevölkerung entschärfen.

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