In der Schweiz brüsten wir uns gern damit, dass sich Leistung hier noch lohnt. Wer will und hart arbeitet, kann alles erreichen. Diese Erzählung ist der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält. Exorbitante Ungleichheit wird akzeptiert, schliesslich könnten wir alle irgendwann selber reich sein, wenn wir uns nur genug anstrengen.
Die Realität sieht leider anders aus: Jede vierte Person, die mit 50 ihren Job verliert, landet in der Langzeitarbeitslosigkeit, egal wie sehr sie sich anstrengt. Wer einmal darin feststeckt, hat kaum Chancen wieder rauszukommen.
Doch in der bürgerlichen Erzählung der Leistungsgerechtigkeit hat das alles keinen Platz. Arbeitslosigkeit wird zu persönlichem Versagen umgedeutet. Wer auf Sozialleistungen angewiesen ist, wird schikaniert. Insbesondere die SVP führt diesen hässlichen Kampf gegen jene, die zuunterst stehen, seit Jahren.
Ein trauriger Höhepunkt ist die Teilrevision des Sozialhilfegesetzes, über die wir am 15. Mai abstimmen. Der Grundbedarf der Sozialhilfe soll dabei ab zwei Bezugsjahren um 40 Franken gesenkt werden. Für Sozialhilfebeziehende bedeutet die Kürzung einen enormen Einschnitt, denn der Grundbedarf liegt laut einer Studie schon heute rund 100 Franken zu tief für eine angemessene Existenzsicherung.
Die wenigsten Menschen leben freiwillig unter solchen finanziellen Bedingungen. Es ist zynisch zu behaupten, wir hätten es mit einem Motivationsproblem zu tun und weitere Kürzungen würden die Menschen motivieren, von der Sozialhilfe loszukommen. Der Sozialhilfeabbau ist nichts als Schikane und drängt die Betroffenen weiter aus dem öffentlichen Leben. In Wahrheit befeuert er das Gegenteil der gesellschaftlichen Integration, die er angeblich bewirken soll.
Genau das ist vielleicht auch das eigentliche Ziel. Sündenbockpolitik auf dem Buckel der Ärmsten wird einfacher, wenn sich diese die Teilnahme am öffentlichen Leben gar nicht mehr leisten können. Damit hat die SVP freie Bahn das Feindbild der «Sozialschmarozer» weiter zu bewirtschaften, ohne dass die realen Lebensgeschichten der Betroffenen störend dazwischenkommen.
Mit dieser Strategie hat die Rechte leider schon seit Jahren Erfolg. Das Stigma um Armut und Sozialhilfe ist schon heute so gross, dass sich viele Armutsbetroffene aus der Gesellschaft zurückziehen und rund 30% keine Sozialhilfe beziehen, obwohl sie Anspruch darauf hätten.
Dieser hässlichen Kampagne müssen wir endlich ein Ende bereiten. Bekämpfen wir endlich Armut, statt die Armen. NEIN zum Sozialhilfeabbau!
Ronja Jansen, Landrätin, Präsidentin JUSO Schweiz